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Zuallererst

Zuallererst, ganz zuallererst, sind wir alle fast überall Ausländer. Das wird gerne vergessen. Es gibt in Österreich so unglaublich wenige Asylanträge, die so unglaublich lächerlich wenig Geld kosten im Vergleich zu verspekulierten Steuergeldern, zu im Nichts verschwundenen Milliardenbeträgen, für welche deren Verursacher meist freigesprochen werden oder gar nicht erst angeklagt. Die entstehenden Kosten für Asylwerber könnten außerdem weiter minimiert werden, würde ihnen ein Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht, wie es die meisten dieser Menschen sich wünschen, so sie nicht vollkommen traumatisiert sind von Odysseen über tausende von Kilometern und von den Gründen ihrer Flucht, von menschlichen Tragödien, ausgerotteten oder zurückgelassenen Familien. Von Schikanen, die sie spätestens in Europa erleben, weil sie zuallererst einmal als Sicherheitsgefährdung definiert werden. Alles, was anders ist, ist verdächtig.

Die meisten Kriege, die weltweit geführt werden, finden nicht mit Pfeil und Bogen statt, sondern mit technisch hochentwickeltem Kriegsgerät, das in Europa, in den USA und sonst wo hergestellt wird und mit welchem sehr viel Geld verdient wird. Die aus diesen Kriegen resultierenden Flüchtlingsmassen sind ein Produkt eines Geschäfts, das mit Kalkül Meinungsverschiedenheiten auf fremden Territorien zum eigenen Exportschlager einer riesigen Waffenindustrie macht.

All diese Dinge sind weder neu noch eine Überraschung, sondern werden lediglich vergessen, weil es nicht gefragt ist, Dingen auf den Grund zu gehen. Es gibt zu wenig Zeit, um Dinge zu hinterfragen, es funktioniert in unserer Medienlandschaft, die als trauriges Brachland zu bezeichnen ist, perfekt, alles auf einer Oberfläche gammeln zu lassen, die es mit Leichtigkeit erlaubt, Vorurteile nicht nur zu bestätigen, sondern vor allem zu schüren. Die Logik, wie an das Thema Asylwesen herangegangen wird bzw. wie es verzerrt dargestellt, missbraucht und zum Verkaufsbeschleuniger für hässlichen Boulevard dient, lässt sich auch so beschreiben: Der Pöbel bringt eine Hexe zum Dorfpranger. Ihr wurden eine riesige, unechte Nase und ein Besen umgehängt. Der Mob möchte sie verbrennen. Der Dorfritter führt sein Volk zu dem Schluss, dass eine Hexe dann eine Hexe ist, wenn sie gleich schwer ist wie eine Ente. Begründung: Eine Ente kann, ebenso wie Holz, auf Wasser schwimmen. Wenn also die Hexe gleich schwer ist wie eine Ente, muss sie also aus Holz sein. Holz kann brennen, also kann auch die Hexe brennen und der Beweis für die Echtheit der Hexe ist erbracht. Diese Szene aus Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“ ist ein Geniestreichen, wie Dummheit dargestellt werden kann. Der Vergleich ist vollkommener Schwachsinn. Der Umgang mit Immigranten hat das gleiche Niveau. Aus diesem geistigen Mittelalter ist die Welt nie herausgekommen.

Die Plattheit der Medienberichte über das Asylwesen findet eine nahtlose Fortsetzung im Unwesen der Möglichkeit, hinter Pseudonymen anonym jeden Schwachsinn posten zu können, ohne daraus Konsequenzen fürchten zu müssen. Ohne Überraschung werden dort Minderheiten gegen Minderheiten ausgespielt. Der Klugheit sind auf solchen Plattformen keine Grenzen gesetzt. In quasi offenen Diskussionen über was auch immer geht die Tendenz sehr oft schleichend in offene Attacken gegen alles über, was fremd ist. Kaum ein Klischee wird dabei ausgelassen, von muslimischen Familien, die ihre Kinder im Mercedes zum Kindergarten bringen bis hin zum prächtigen Missbrauch von Asylwerbern des prächtigen Sozialsystems in Österreich, was allerdings niemand belegen kann. Das interessiert dort auch niemanden wirklich. Ohne Frage gibt es auch im Asylwesen Missbrauch. Der ist allerdings minimal. Außerdem möge mir ein Beispiel für einen gesellschaftlichen Bereich genannt werden, wo kein Missbrauch stattfindet. Vielleicht sollte die Anonymität aufgehoben werden, da würde sich der Unfug in Grenzen halten, der da gepostet sein Unwesen treibt. Mit vollem Namen und Adresse wettert es sich nämlich wesentlich unentspannter gegen alles, was nicht genehm ist, lassen sich Rundumschläge, die jeglicher Hintergrundinformation entbehren, weniger leicht aus dem Ärmel schütteln. Es gibt zweifellos Menschen, die aus nachvollziehbaren Gründen anonym bleiben wollen, um sich heischenden und geifernden Massen nicht ausliefern zu müssen. Die bewegen sich allerdings ohnehin nicht auf solchen Foren, die verspüren nämlich den Wahnsinn, geflüchtet zu sein und auf verschlossene Türen zu stossen, am eigenen Leib, die müssen nicht mit dem Finger auf andere Minderheiten zeigen.

Zu den Vorgängen vor der Votivkirche in Wien, wo ein Asylwerberzeltlager geräumt wurde, weil es gegen das Campinggesetz verstößt, nimmt von Regierungsseite niemand offiziell Stellung. Dafür streiten unsere Kolleginnen und Kollegen der Koalition, dass die jeweiligen Koalitionspartner ganz gemein sind vor der Abstimmung, ob Österreich ein Berufsheer bekommen soll oder nicht. Von Gräuelpropaganda ist da die Rede, echt richtig gemein das alles. Ein Gräuel ist nur, auf welchem Niveau das alles stattfindet. Einer der Protagonisten dieser Auseinandersetzung hat auch klar auf den Punkt gebracht, worum es bei dieser Volksbefragung letztendlich geht. Um Zahlen und Ersparnismöglichkeiten? Nein, bis jetzt war nicht eine einzige Geldsumme genannt worden, die irgendeinen Sinn hätte. Um eine sinnvolle Bundesheergestaltung? Auch nicht. Eine Partei verteidigt das bisherige System, weil es sich bisher bewährt hat. Nur keine Veränderung. Plötzlich. Das war nicht immer so. Das Argument der anderen Partei: Wer würde denn heute ein Heer in dieser Form installieren? Wir sehen: Hieb- und stichfeste Argumente, soweit das Auge reicht.

Worum es tatsächlich geht, fand Ausdruck im Beginn eines nicht zu Ende gehörten Satzes: „Wenn wir diese Volksabstimmung gewinnen...“. Vielen Dank. Lasst uns eine Volksabstimmung gewinnen. Es sollte den beiden Großparteien wirklich zu denken geben, dass intellektuelle Kapazunder wie die Parteichefs von FPÖ und Team Stronach ernsthafte Gefahren für die nächsten Wahlen darstellen, spätestens dort sollte man den eigenen Tiefflug erkennen können.

Wie auch immer diese Abstimmung ausgeht: Wir sollten uns ein Pflichtexiljahr für alle, Frauen und Männer, überlegen. Wenn möglich in einem nicht deutschsprachigen Land. Vielleicht öffnet das ein wenig die Horizonte, von welchen für die meisten, sollte man sie fotografieren wollen, kein Weitwinkel vonnöten wäre. Um zu bemerken, dass wir alle fast überall auf der Welt Ausländer sind. Auch im neuen Jahr. Von Anfang an, zuallererst.


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            Originalbild:
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[Kolumne/Walter Schaidinger/10.01.2013]





    Kolumne/Walter Schaidinger


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